Die Presse, Wie der Schweizer Andrzej Koch zum Käse kam
11.Juni 2013

Andrzej Koch verkauft nun auch in der Wollzeile Schweizer Käse. Und fungiert als Drehscheibe vereinsskeptischer Landsleute.

Andrzej Koch ist ein wenig unkonventionell. Eigentlich sollte sein neues Geschäft in der Wollzeile ja seit elf Uhr offen sein, aber Koch muss noch schnell etwas ausliefern. Man könne ja, meint der Schweizer am Telefon, schon einmal im Café Diglas schräg gegenüber Kaffee holen.


Und so steht man dann wenig später mit zwei Melangetassen bei 17 Grad umgeben von Laiben im Käse-Humidor, zu dem das winzige Geschäft umfunktioniert worden ist. Am Freitag wurde mit Alphörnern Eröffnung gefeiert, und der Andrang hatte Koch überwältigt. Der Schweizer Botschafter war da, der Schweizer Gesandte zur OSZE und der Apostolische Nuntius Peter Zurbriggen (ebenfalls ein Schweizer). Spät schaute dann auch noch Kardinal Schönborn vorbei (kein Schweizer, aber immerhin im Montafon aufgewachsen.)

Seit gut sechs Jahren lebt Andrzej Koch „der Liebe wegen" in Wien, und weil bei Heimatbesuchen immer alle Käse bestellten, betreibt er schon länger auf dem Karmelitermarkt einen Stand. „Ich hab lang rumstudiert, wie man ihn nennen könnte", erzählt der Luzerner: Kochkäse, Käsekoch... Bis ihm bewusst wurde, dass er von seinen Standnachbarn („liebe Schatzlis") aufgrund seines schwierigen polnischen Vornamens längst anders gerufen wurde. „He, Schweizer" hieß es dort. „Der Schweizer" war geboren.

Bei dem sich gern andere Schweizer treffen – insbesondere jene, „die sich nicht so gern auf Vereine einlassen". Warum auch, man werde von den Wienern ohnehin gut behandelt. „Besser als ein Piefke. Aber ich habe rausgefunden, dass es ein Sprachproblem gibt", sagt er, wie immer im Dialekt. „Man versteht als Schweizer die Wörter, aber manchmal den falschen Sinn."

Andrzej Koch ist wohl das, was man gern einen Lebenskünstler nennt. Er studierte Bildhauerei und Film in Berlin, lernte Stahlbau in New York, machte, zurück in der Schweiz, eine Schweißerausbildung, und wurde nach Amsterdam geschickt, um die niederländische Nationalbank zu bauen. Wieder in Luzern eröffnete er eine Bar. „Die lief verdammt gut, aber mit allen Schattenseiten. Alt wäre ich so nicht geworden."

Es war dann eine Katze, die sein Leben veränderte: Er wich ihr auf der Autobahn aus, sein Auto überschlug sich, Koch lag 21 Tage im Koma und konnte, als er erwachte, nach einem offenen Schädelbruch „nicht einmal mehr rechnen".

Da kommt sein Wiener Freund Hans ins Spiel, den Koch schon seit 20 Jahren regelmäßig besucht, um es „ein bissl lustig zu haben". Erst kürzlich habe er eine der damaligen „Absturzhöhlen" wieder gefunden, die Gitarre im vierten Bezirk. „Es hängen noch genau die gleichen Plakate dort."

Hans also erzählte ihm nach dem Unfall von Leuten aus mehreren Nationen, die gerade, kurz nach der Wende, ein Schiff in Rostock renovierten. Gut ein Jahr baute er mit – „das war meine Therapie". Auf dem Schiff lernte er außerdem den Apple Macintosh kennen, und als er 1994 Geld von der Versicherung bekam, gründete er Luzerns erste Webdesign-Agentur. Nach sieben Jahren hatte er „auch davon die Nase voll", worauf er zu studieren begann: Pünktlich zum Vierziger hatte er einen Master in Kulturmanagement in der Tasche. „Dann habe ich aber immer noch nicht gewusst, was ich damit mache", worauf er beschloss, einen Jugendfreund zu besuchen, der sich in Indien auf den Verkauf von Industriestaubsaugern verlegt hatte. In diese Zeit fiel ein Zwischenstopp in Wien – wo er die Frau kennenlernte, die inzwischen die Mutter seines Sohnes ist.

So kommt es, dass er nun in der Wollzeile steht und Max, Freund, Künstler und ebenfalls aus Luzern, ein Stück Tomme aus Rougemont im Kanton Waadt zum Kosten gibt. Künstler sind Koch wichtig; die Regel ist: Wer etwas für die freie Wand im Humidor beisteuert, bekommt Prozente. Ein Buchcover des (in Wien lebenden) Berner Autors Christoph Brändle hängt schon dort. Das Bild von Max hat er im Lager im Burgenland vergessen.

Auch seinen ersten Käse, fällt ihm ein, habe er einst von einem befreundeten Comiczeichner bezogen, der die Sommer „auf der Alp" verbrachte. Koch lagerte den Käse mittels in Salzwasser getunkter Tücher unterm Bett – wie später auch die ersten Laibe in Wien. „So kann man die", sagt er, „über Jahre aufbewahren."